Warum hilft Gott nicht sofort? Warum brauchen wir überhaupt Ärzte, um Krankheiten zu bekämpfen, wenn Gott doch angeblich allmächtig ist und Jesus Christus, sein Sohn, Todkranke geheilt, Blinden das Sehen gegeben und Gelähmten zum Gehen verholfen hat. Die Wissenschaft oder Gott, zwei Instanzen, die fatalerweise oft fälschlich als Ausschlusskriterium des jeweils anderen angesehen werden. Doch dazu anderes Mal mehr. Zurück zur Frage, warum Gott unsere Hilferufe nicht erhört und warum sich Medikamente meistens als sicherere Methode erweisen als bloße Gebete… hierzu eine kleine Geschichte:

Ein Ertrinkender auf offener See. Das nächste Land ist unzählige Kilometer entfernt. Es handelt sich um einen sehr gläubigen Menschen, der da in den Weiten des Meeres verloren scheint. Sein ganzes bisheriges Leben hat er im Glauben und Dienste Gottes verbracht. Nun, in dieser prekären Situation, beruft er sich auf eben dies und schreit gen Himmel, dass Gott ihn erretten und vor dem sicheren Tod bewahren möge. Er erhält keine Antwort, stattdessen kreuzt einige Zeit darauf ein Schiff sein Umhertreiben und die hilfsbereiten Matrosen machen Anstalten, den Ertrinkenden aus dem Wasser zu bergen. Dieser jedoch ruft aus: „Nein, lasst mich, mein Gott wird mich retten!“ Jeglichen Rettungsversuch der Schiffsbesatzung lehnt er vehement ab, bis diese kopfschüttelnd aufgibt und ihren Weg fortsetzt.
Wiederum schreit der Mann gen Himmel und fleht Gott an, ihn aus dem Wasser zu retten. Doch abermals, keine Antwort. Einige Zeit vergeht, dann steuert  ein neuerliches Schiff direkt auf ihn zu. Seile werden hinab geworfen, eine Rettungsweste, Strickleitern, doch der Mann stößt alles von sich und spricht erneut: „Nein, lasst mich! Mein Gott soll mich retten!“

Als auch dieses Schiff unter Resignation von dannen gezogen ist, ruft der Mann ein drittes Mal, nun unter ständigem Wasserschlucken und merklich entkräftet, zu Gott, dass er ihn doch bitte aus diesem Höllenschlund befreien solle. Man ahnt was geschieht: ein drittes Schiff, ein drittes Nein, und wieder ist der Mann allein.
Nun jedoch zunehmend erbost. Laut fluchend und durchdrungen von Angst und Leid brüllt er nach oben, warum Gott, dem er doch sein ganzes Leben treu gewesen war, ihn nicht aus dem Wasser ziehen wolle. Da klafft plötzlich ein Loch zwischen zwei Wolken auf, Sonnenstrahlen fallen hindurch und eine Stimme antwortet: „Mein Sohn, wie viele Schiffe soll ich dir denn noch zu deiner Rettung schicken?“

Glaube ist keine Zauberei, kein Fingerschnipsen, kein Wink mit der Hand und alles ist gut. Glauben ist sehr viel tiefgreifender. Es ist eine Einstellung, eine Einstellung zum Glauben, aber auch zum Leben. Es ist eine bewusste Entscheidung, welche auf Vertrauen, Liebe und vor allem Geduld basiert. Der Glaube kann vielerlei bewirken, doch wie die Geschichte zeigt, muss man auch dafür bereit sein, man muss sich Gott öffnen können, seine Zeichen verstehen und vor allem begreifen, dass nicht immer so geholfen wird, wie wir es vielleicht im Moment der Hilfesuche erwarten. Gott denkt sehr viel weiter, sehr viel geduldiger. Und kommt es nicht häufiger vor, dass wir Manches aus gewisser zeitlicher Entfernung im Rückblick ganz anders wahrnehmen?!
Wir Menschen neigen dazu, stets dann zu Gott zu kommen, wenn wir wieder einmal nicht weiter wissen, wenn Probleme sich vor uns auftürmen und wir ins Stocken geraten sind. Natürlich kann und sollte man in eben solchen Augenblicken zurecht auf Gott bauen, aber der Glaube sollte im besten Falle keine Einbahnstraße sein, auf welcher Wunschzettel und Hilfegesuche nur in ein und dieselbe Richtung verlaufen. Ein Leben im Glauben sollte ein gesundes Miteinander sein, es sollte ein Gleichgewicht aufweisen, wie es in Beziehungen zu anderen Menschen unseres Umfelds ebenfalls gegeben ist.
Ein Weg, um dies zu erreichen, besteht darin, Gott aus seinem Alltag nicht auszusperren, sondern ihn bei sich aufzunehmen, ebenso wie er uns eines Tages bei sich aufnehmen soll. Es ist ein Füreinander und Miteinander, denn wir merken doch selbst, wie unzufrieden wir bisweilen sein können, wenn von uns immer nur gefordert, jedoch nie etwas zurückgegeben wird.
Wieso sollte es Gott, der uns das Leben geschenkt hat, dabei anders gehen? Aus eigener Erfahrung möchte ich festhalten, dass Glaube etwas äußerst persönliches sein kann. Eine einzigartige Beziehung, die zu entdecken und immer wieder neu zu entdecken, ich jedem nur wärmstens und völlig aufrichtig empfehlen kann. Denn sie kann in jedweder Hinsicht eine Quelle der Kraft und der Zuflucht sein, die man im Irdischen vergeblich suchen wird.