Es gibt Zeiten, häufig Tage, an denen man spürt, von seinem Weg abgekommen zu sein. Teilweise macht sich so etwas erst nach einer raschen Abfolge von Niederschlägen bemerkbar. Es dauert eine Weile, die stetig bergab führt, bis man erkennt ins Abseits geraten zu sein. Manchmal merkt man es auch sofort, in dem man schon beim Tuen von etwas, weiß, das es sich als falsch erweisen wird. Man tut es dennoch, aus Trotz möglicherweise oder eben, weil man genau weiß, dass es falsch ist und man innerlich rebelliert.
Ich für meinen Teil habe Sensoren, die rasch anschlagen, wenn ich meinen Weg zu verlassen drohe. Häufig reichen diese Schwingungen völlig aus, um gegenzulenken und die eigene Stabilität wieder zu finden. Doch manchmal bleiben sie auch ungehört – gewollt oder ungewollt. Wann immer sie auf taube Ohren stoßen, weiß ich, dass es ernst ist, dass etwas in mir sich zu sträuben beginnt, dass etwas verquer läuft und ich dringend meine Gangart ändern sollte. Natürlich spielen äußere Faktoren dabei immer eine übergeordnete Rolle, denn sie ändern die Begebenheiten und bringen mich dazu, auf sie zu reagieren.
Wann immer ich also meinen Weg, durch welchen Grund auch immer, verlassen habe, fühle ich mich blind. Ich spüre, wie das Unbehagen gleich einem wenig geschätzten Gast ungebeten über die Schwelle tritt. Die Taschenlampe, die normalerweise zuversichtlich den Weg vor mir erleuchtet, baumelt nutzlos und kalt herunter. Meine Füße glitschen immer wieder zur Seite weg. Der Boden ist klebrig und matschig und es ist kaum möglich, das Bein vom stark haftenden Untergrund zu heben. Man steckt fest, wie in einem Sumpf oder einem Moor und je mehr man zu rudern beginnt, desto mehr droht man zu versinken, zur Seite wegzudriften und die sicheren Pfade des Weges aus den Augen zu verlieren.
Gebannt sucht man nach der rettenden Spur, doch der Lichtkegel der Taschenlampe fehlt, der Erdboden ist mittlerweile der erbittertste Gegner, dessen Überwindung mit jedem verzweifelten und unkontrollierten Tritt in weitere Ferne rückt. Der Weg, gerade noch so nahe, scheint plötzlich unerreichbar und doch kann man ihn noch sehen. Er lächelt einladend und man fühlt seine Anziehung, seine Richtigkeit, seine Wahrhaftigkeit wie eine gute Macht durch all das Chaos wabern. Der Wille auf ihn zurückzukehren scheitert an der eigenen Unruhe, der Unkontrollierbarkeit der Sumpflandschaft und dem fehlenden Licht, das einem den sicheren Wiederaufstieg verweigert. Dunkelheit beginnt gleich turmhohen Fäden von unten nach oben zu steigen, sodass man den Weg noch sehen kann, er nun jedoch teilweise verdeckt ist. Immer mehr Fäden schießen aus dem Boden und man spürt, wie einem die Zeit, vor allem aber die Kraft durch die Hände rinnt. Jetzt muss es schnell gehen, dabei kann die Eile doch der größte Gegner von allen sein.
Sie zwingt zu unbefriedigenden Lösungen und überstürzten Entscheidungen. Doch es hilft nichts, der Weg scheint sich aufzulösen, scheint zu ertrinken in all dem Schwarz, das euch voneinander trennt, ebenso wie du zu ertrinken drohst. Alle Hoffnung scheint verloren …
Doch da, was zuckt da so unscheinbar durch den pechschwarzen Morast? Ein sanfter Schimmer, ein flackerndes Leuchten – dein Handgelenk zuckt und ein gleißender Strahl durchbricht die Finsternis. Du kannst ihn sehen, direkt neben dir, er liegt ganz nah, treu und schön – der Weg. Er ist bereit und wartet, wartet auf dich, ohne den er nicht existieren kann, den er genauso braucht wie du ihn, weil es dein Weg ist. Dein Weg, den nur du gehen kannst und den nur du gehen darfst. Es reicht ein Schritt, ein sanftes Fuß Aufsetzen und du brauchst keine Lampe mehr, um dich dankbar zurück zu wissen.