Es war ein sonderbares Gefühl, als ich heute unter strengen Auflagen das Museum der Neuen Kunst in Freiburg besuchen durfte, um den Beginn der Ausstellung von Künstlerin Priska von Martin auf mich wirken zu lassen. Mit dem zeitgenössischen Accessoire, welches Mund und Nase bedeckt, wanderte ich durch die großflächigen, hellen Ausstellungsräume und ließ das Dargestellte auf mich wirken. Es fühlte sich ein wenig nach Rückkehr an, denn es war zugleich das erste Mal seit Monaten, dass ich wieder ein Gebäude in der Innenstadt betreten hatte. Seltsam ergreifend und doch auf gewisse Weise belastend – ein Gefühl, das sich nur schwer einer Eingliederung unterziehen ließ, beschlich meinen Innenraum.
Bis auf die Museumsangestellten war niemand vor Ort, lediglich meine Freundin begutachtete mit mir die ausgebreitete Kunst, über die sie bald ihre Master-Thesis schreiben wird. Mit jedem Schritt, den ich durch diese heiligen Hallen, wie sie mir vorkamen, tat, bröckelte die Mauer der Beklommenheit und ich begann, mich tiefer in die Materie zu begeben. Im Grunde sollte es ein Glücksfall sein, diese Ausstellung völlig ungestört und ohne eine andere Menschenseele aufsaugen zu dürfen, ja, sogar ein Privileg. Doch das war es seltsamerweise nicht, zumindest fühlte es sich nicht so an.
Auch hier lag der Schatten einer dunklen Macht über den Wänden, lauerte in den Ecken oder trat in Gestalt eines Bediensteten zu Tage, der seinen Mundschutz zurechtrückte. Die Zeit, in der wir leben, lässt nicht zu, dass wir sie einfach vergessen, so war es auch an diesem Ort.
Die Bronzeplastiken auf ihren Sockeln, die Zeichnungen an den Wänden, die aus Stein gehauenen Skulpturen und die hell erstrahlenden Aluminiumkörper zeugten allesamt von einer anderen Zeit, einer vergangenen Zeit, einer Zeit, die wie die heutige ihre eigenen Probleme und Nöte besaß. Dennoch, die hier ausgestellte Kunst konnte auch durch die gegebenen Umstände nicht geschmälert werden, lediglich das Erleben war ein anderes, weniger frei und weniger heiter. Eine Wahrnehmung, die uns wohl noch einen Teil unseres zukünftigen Weges als zu duldende Begleiterin Gesellschaft leisten wird – wenn wir es zulassen.
Beeindruckt, wie immer wenn ich etwas betrachte, das einst geschaffen und nun zu etwas Großem geworden ist, schweiften meine Gedanken zu der jungen Frau, dessen Arbeit ich gerade betrachtete. An ihren verblüffenden Werdegang und ihr unrühmliches Ende im Selbsttod als letzten Ausweg einer unheilbaren Krankheit, dessen Ausübung zwar nachzuvollziehen ist, aber dennoch betrübt macht. Meine Gedanken wirbelten, während meine Augen immer weiter in der Skulptur eines Pferdetorsos versanken …
Es ist nötig, anders zu sein, um etwas Besonderes schaffen zu können? Ist es nicht schon arrogant, überhaupt davon auszugehen oder von sich selbst zu denken, besonders zu sein?
Ich bin mir stets besonders vorgekommen, ohne mir dabei besonders vorzukommen. Ich wusste einfach, dass ich anders bin, ohne dass mich das den andern gegenüber in irgendeiner Weise besser gemacht hätte. Ganz im Gegenteil, häufig kam ich mir wie ein Ausgestoßener vor, teilweise minderwertig und unzugehörig. Diese Zeiten gehören dankbarerweise der Vergangenheit an und doch kommt manchmal dieser alte Schalk in mir hoch, der mir boshaft ins Ohr flüstert, nicht gut genug zu sein.  
Ich denke, anders zu sein, macht jemanden nicht besser, er macht ihn einfach anders. Besonders zu sein, bedeutet ebenfalls nicht besser zu sein, sondern einfach nur besonders zu sein. Jeder ist auf seine ganz eigene Art besonders, nur stechen manche durch ihre Besonderheit deutlicher heraus als andere. Das ist alles und gleichzeitig eines der vielen Zitate, die mir meine Hauptfigur geschenkt hat.
Ich für meinen bescheidenen Teil halte mich aufgrund meiner Geschichte für etwas Besonderes, ohne mir diese im Vorfeld ausgesucht zu haben. Zu meinem früheren Ich unterscheidet mich daher lediglich der Umstand, dass ich es angenommen habe, so zu sein, wie ich heute bin, und damit auch meine Geschichte, von der mich zu trennen auch völlig falsch wäre.
Die Vergangenheit annehmen, sich auf die Zukunft freuen und die Gegenwart leben, dies hat mich einst ein weitaus weiserer Mann, als ich es bin, gelehrt, und er hatte völlig Recht damit.
Ein brausender Sturm liegt vor uns, seine Gesichter sind so wechselhaft, das ihn festzumachen unmöglich, ihn aufzuhalten mehr als schwierig sein wird. Glaube, Hoffnung, Geduld und Selbstaufopferung sind dieser Tage wertvoller denn je. Also lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen, lasst uns unsere Besonderheit spüren und durch sie vereint etwas Großes erschaffen, lasst uns zumindest aber zusammenstehen, wie Brüder, die sich gegenseitig metaphorisch die Hände reichen.